Das Wichtigste auf einen Blick:

Als Präsentismus wird das Verhalten von Arbeitnehmern bezeichnet, die trotz Erkrankung arbeiten gehen.
Präsentismus hat einen negativen Einfluss auf den Unternehmenserfolg.
Wer trotz Krankheit zur Arbeit geht, riskiert eine Chronifizierung.
Der Arbeitnehmer kann Präsentismus mit unterschiedlichen Maßnahmen entgegenwirken, beispielsweise durch gesundheitliche Aufklärung.

Die Nase läuft, der Schädel brummt und du fühlst dich gar nicht gut, dennoch sitzt du im Büro. Zahlreiche Beschäftigte in Deutschland gehen krank arbeiten und bedenken dabei nicht die möglichen Folgen. Ein solches Verhalten wird auch Präsentismus genannt. Mehr dazu erfährst du hier.

Was ist Präsentismus?

Der Begriff Präsentismus leitet sich von dem lateinischen Wort „praesentia“ ab, was so viel bedeutet wie Anwesenheit. In der Arbeitswelt beschreibt Präsentismus das Verhalten von Arbeitnehmern, die trotz psychischer oder physischer Beschwerden ihrer beruflichen Tätigkeit nachgehen und dabei mögliche Produktivitätsverluste in Kauf nehmen.

Präsentismus ist das Gegenteil von Absentismus, dem Fernbleiben vom Arbeitsplatz, beispielsweise aufgrund von Demotivation oder privaten Problemen.

Sowohl Absentismus als auch Präsentismus schwächen die Produktivität der Mitarbeiter und beeinflussen den Erfolg eines Unternehmens somit negativ.

Präsentismus in Deutschland

Präsentismus ist in Deutschland weit verbreitet. Das zeigt beispielsweise eine Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB): Mit dem DGB-Index Gute Arbeit, einem Instrument zur Messung der Arbeitsqualität aus Sicht der Beschäftigten, werden seit 2007 jährlich Befragungen durchgeführt. 2019 wurden mehr als 6.500 zufällig ausgewählte Arbeitnehmer interviewt.

65 Prozent der Befragten gaben an, in den vergangenen 12 Monaten schon mindestens einmal gearbeitet zu haben, obwohl sie sich krank gefühlt hätten. Am meisten Präsentismus herrscht zufolge der Studie unter Beschäftigten in Sicherheitsberufen (81 Prozent) und in sozialen Dienstleistungsberufen (77 Prozent).

Ursachen für Präsentismus

Präsentismus kann auf verschiedenste Ursachen zurückzuführen sein. Häufig ist es die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, die einen Mitarbeiter dazu motiviert, dauerhaft anwesend zu sein. Teilweise befürchten Arbeitnehmer berufliche Nachteile, zum Beispiel, dass ihre Chance auf eine Beförderung sinkt. In manchen Unternehmen wird zudem recht abfällig auf krankheitsbedingte Ausfälle reagiert und Dauerpräsenz wird am Ende des Geschäftsjahres mit einem Bonus honoriert. Allgemein gelten Mitarbeiter, die ständig anwesend sind, als engagiert.

Wenn in einem Unternehmen ein besonders erfolgsorientiertes Leitbild befolgt wird, geraten die Beschäftigten schnell unter Leistungsdruck. Sie haben viel Arbeit, aber zu wenig Zeit, um diese zu erledigen, und wollen nicht als faul gelten. Angestellte in Führungspositionen stehen häufig unter besonders hohem Druck.

Präsentismus kann auch persönliche Gründe haben, zum Beispiel

  • ein besonders ausgeprägtes Pflichtgefühl,
  • Selbstüberschätzung,
  • ein besonders hohes Maß an Motivation,
  • familiäre Probleme, denen man sich entziehen möchte
  • oder schlichte Langeweile.

Manchmal wollen Arbeitnehmer ihre Kollegen auch nicht mit zusätzlicher Arbeit belasten oder es fällt ihnen schwer, Aufgaben zu delegieren. Möglicherweise steht ein wichtiger Geschäftstermin an, bei dem der Erkrankte nicht fehlen darf oder will.

Verdiensteinbuße

Je nachdem, in welchem Arbeitsverhältnis ein Arbeitnehmer beschäftigt ist, fürchtet er sich auch vor Einkommensverlusten. Wer geringfügig beschäftigt ist, hat in der Regel keinen Anspruch auf Krankengeld. Zudem werden Arbeitnehmer in Mini- oder Nebenjobs häufig nach geleisteter Arbeit bezahlt, sodass sie auch bei kurzer Krankheitsdauer mit Einbußen rechnen müssen.

Fachkräftemangel

Es ist allgemein bekannt, dass in einigen Branchen geeignete Fachkräfte fehlen. Besonders betroffen ist beispielsweise der Gesundheits- und Pflegebereich. Deshalb ist es für die vorhandenen Fachkräfte umso wichtiger, anwesend zu sein und gute Arbeit zu leisten. Das gilt insbesondere dann, wenn sie direkt mit Patienten zu tun haben, wie beispielsweise Ärzte oder Krankenpfleger. Ähnlich ist es bei Lehrern und Erziehern, die täglich mit zahlreichen Schülern beziehungsweise Kindern in Kontakt kommen und eine gewisse Fürsorgepflicht haben.

Gerade innerhalb dieser Berufsgruppen ist es umso wichtiger, dass Beschäftigte nicht krank zur Arbeit gehen, denn das Ansteckungsrisiko ist besonders hoch. Außerdem können Konzentrationsschwächen schwerwiegende Folgen haben. Was ist zum Beispiel, wenn der operierende Arzt zittrige Hände hat oder ein Pfleger wichtige Signale eines Patienten nicht bemerkt?

Folgen von Präsentismus

Wer trotz Arbeitsunfähigkeit seiner beruflichen Tätigkeit nachgeht, riskiert, dass sich sein Zustand verschlechtert. Es kann zu einer Verschleppung oder gar einer Chronifizierung der Krankheit kommen. Das bedeutet, dass aus einer Erkrankung ein akuter Zustand werden kann. Unter anderem erhöht Präsentismus das Risiko einer Herz-Kreislauf-Erkrankung. Oft leiden Arbeitnehmer auch unter Rückenschmerzen, Migräne oder psychischen Krankheiten, zum Beispiel Depression.

Häufig lässt die Konzentrationsfähigkeit nach und die Produktivität sinkt. Es besteht ein höheres Fehler- und Unfallrisiko. Nicht unterschätzen solltest du zudem die Gefahr der Ansteckung, wenn du trotz Infektionskrankheit arbeiten gehst. Erkranken auch deine Kollegen, steht dem Betrieb noch weniger Arbeitsleistung zur Verfügung.

Übrigens werden die durch Präsentismus entstehenden wirtschaftlichen Einbußen in Deutschland höher geschätzt als die Kosten, die durch Absentismus verursacht werden.

Präsentismus erkennen

Frage dich einmal selbst:

  • Bist du schon einmal krank zur Arbeit gegangen?
  • Hast du sogar schon einmal trotz Krankschreibung gearbeitet?
  • War das vielleicht sogar schon häufiger der Fall?
  • Fühlst du dich energielos oder fällt es dir am Arbeitsplatz schwer, dich zu konzentrieren?

Du kannst diese Fragen mit Ja beantworten? Dann steckst du vielleicht schon in der Präsentismus-Falle fest. Um dich zu befreien, schalte einen Gang runter. Wenn du dich nicht gesund fühlst, dann solltest du zum Arzt gehen und seine Anweisungen befolgen.

Es kann helfen, mit Vorgesetzten über die Situation zu sprechen. Gemeinsam lässt sich womöglich eine Lösung finden, beispielsweise dann, wenn die Arbeitsmenge oder ein extremer Leistungsdruck die Ursache ist.

Präsentismus bei anderen erkennen

Abgesehen von äußerlich sichtbaren Anzeichen wie einer verschnupfte Nase können unter anderem folgende Symptome darauf hindeuten, dass ein Mitarbeiter dem Präsentismus verfallen ist:

  • zahlreiche Überstunden
  • zunehmende Vergesslichkeit
  • Unzuverlässigkeit oder -pünktlichkeit
  • vermehrte Fehler
  • spürbare Nervosität oder Angespanntheit
  • häufige Einnahme von Medikamenten

Spätestens wenn Mitarbeiter schon am Morgen darüber reden, welche Tabletten sie sich heute schon eingeworfen haben, und darum buhlen, wer der Aufopferungsvollste unter ihnen ist, sollte der Arbeitgeber hellhörig werden.

Betriebliche Maßnahmen gegen Präsentismus

Präsentismus ist weder auf der Arbeitnehmer- noch auf Arbeitgeberseite erstrebenswert. Deshalb sollte einem Geschäftsführer daran gelegen sein, dass seine Mitarbeiter gesund sind. Mit folgenden Maßnahmen kann dem Präsentismus in Unternehmen vorgebeugt werden:

In die Aufklärung der Mitarbeiter zum Thema Gesundheit investieren und beispielsweise Informationsveranstaltungen ausrichten.
Das Einrichten ergonomischer Arbeitsplätze beugt gesundheitlichen Beschwerden vor. Schon höhenverstellbare Schreibtische können helfen.
Nicht zu viel Druck auf die Mitarbeiter ausüben und sichere Beschäftigungsverhältnisse schaffen. Wenn der Arbeitnehmer sich in seinem Job sicher fühlt und sich keine Sorgen um seine Stellung machen muss, sinkt die Wahrscheinlichkeit von Präsentismus.
Führungskräfte und Abteilungsleiter sensibilisieren – sowohl in Bezug auf die Mitarbeiter als auch auf das eigene Verhalten im Krankheitsfall.
Betriebssport anbieten. Das ist gut für die Gesundheit und stärkt den Zusammenhalt des Teams. Das gilt auch für gelegentliche gemeinsame Mittagessen – natürlich mit ausgewogener Ernährung.
Deutlich machen, dass der Feierabend eingehalten werden sollte und Überstunden nur dann zu leisten sind, wenn es absolut unvermeidbar ist.
Ein angenehmes Betriebsklima und eine Vertrauensbasis schaffen. Dabei muss kommuniziert werden, dass eine Krankmeldung kein Problem darstellt.
Arbeitnehmer, die nicht gesund wirken, sollten konsequent nach Hause beziehungsweise zum Arzt geschickt werden.

Der Arbeitgeber kann Präsentismus unter anderem mithilfe der genannten Maßnahmen entgegenwirken. Eine ideale Prävention gibt es jedoch nicht, denn das Arbeiten trotz mangelnder Leistungsfähigkeit kann zahlreiche Gründe haben und ist mitunter von der persönlichen Einstellung der Arbeitnehmer abhängig.

Übrigens gibt es auch psychische Erkrankungen, bei denen Arbeiten und die Interaktion mit Kollegen die Genesung fördert. Wichtig ist, dass du die Anweisungen deines Arztes befolgst, um weder dir noch deinen Kollegen und dem Geschäftsbetrieb zu schaden.

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