Das Wichtigste auf einen Blick:
Perfektionismus klingt zunächst einmal nach einer guten Sache. Beim Erstellen von Bewerbungen macht es sich definitiv bezahlt, präzise zu arbeiten und auf Details zu achten. Personaler achten auf die Sorgfalt einer Bewerbung, denn sie spiegelt das Arbeitsverhalten des Bewerbers wider. Wer bereits jetzt nachlässig ist, der wird sich später wahrscheinlich ebenso sorglos verhalten, so die Schlussfolgerung.
Im Zweifelsfall lohnt es sich also, das Geschriebene einmal mehr zu überprüfen, als sich später über unnötige Fehler zu ärgern. Das ist aber kein Grund, deine Bewerbung so zu verfassen, als würdest du gerade eine Bombe entschärfen. Wenn die Angst vor kleinen Fehlern überhandnimmt und den Blick auf das große Ganze versperrt, kann Perfektionismus durchaus zum Problem werden. Hier findest du einige hilfreiche Tipps, was du in einem solchen Fall unternehmen kannst.
Die perfekte Bewerbung – geht das überhaupt?
Oft können wir uns dafür entscheiden, etwas entweder besonders schnell oder besonders gut zu machen. Wie aber sollen wir reagieren, wenn etwas in nur kurzer Zeit gelingen und das Ergebnis trotzdem perfekt werden muss? Wer eine Bewerbung verfasst, bewegt sich in der Regel innerhalb der gegebenen Fristen und Deadlines – und unter Zeitdruck kann es umso schwieriger sein, dem Wunsch nach einer perfekten Bewerbungsmappe gerecht zu werden.
Zielorientiert zu arbeiten, loszulassen und den Anspruch nach Perfektion im Zweifel fallen zu lassen, ist oftmals die sinnvollere Herangehensweise. Auch ohne drohendes Ultimatum ist Perfektion etwas, das als Standard schwer zu erfüllen ist. Wer kann schon von sich behaupten, perfekt zu sein oder auch nur eine einzige Sache wirklich perfekt zu beherrschen? Und was heißt überhaupt „perfekt“? Ist Perfektion überhaupt ein geeigneter Maßstab für unsere Leistungen?
Perfektionismus in der Bewerbung: Der Erfolgsdruck steigt
Nicht jedem fällt es leicht, dieses Denken einfach abzulegen. Kein Wunder: In der Psychologie wird zwischen funktionalem Perfektionismus, also einer nicht zwanghaften, gewissenhaften Arbeitsweise, und dysfunktionalem Perfektionismus unterschieden. Letzterer kann in einzelnen Fällen zu ernsthaften Erkrankungen führen und sich in Form von pedantischem Verhalten, Versagensängsten und Zwangsstörungen äußern. Schwere Fälle gehen sogar mit Depressionen, Burnout oder Essstörungen einher.
Während der gesunde Perfektionist auch Fehler zulassen kann, erscheint dies dem dysfunktionalen fast unmöglich. Das wirkt sich fatal auf die Einhaltung von Fristen und das Beenden von Projekten aus. Oft reicht der zwanghafte Perfektionist seine detailverliebten Projekte verspätet ein und verschreckt seine Kollegen mit überlangen Dokumenten.
Das sind natürlich extreme Fälle, doch egal wie stark der Hang zur Optimierung im Einzelfall ausfällt: Die Frage nach dem richtigen Maß gerät zunehmend in den Fokus. Je produktiver wir werden, desto deutlicher können wir die oben geschilderten Tendenzen erkennen.
Statistiken zeigen einen kontinuierlichen Anstieg aller Formen des Perfektionismus von 1989 bis 2016. 32 Prozent der Befragten haben sogar das Gefühl, dass Perfektion geradezu gesellschaftlich vorgeschrieben werde.
Wenn Sorgfalt zu lähmender Angst wird
Besonders greifbar kann dieses Gefühl gerade dann sein, wenn du dich selbst mit einer Bewerbung präsentieren musst. Anhand deiner Unterlagen entscheidet ein Fremder über deine Eignung als Angestellter. Mitunter kann sich das anfühlen, als ob jeder kleine Mangel einer Charakterschwäche gleichkommt. Die naheliegende Schlussfolgerung: Damit der Personaler bloß nicht auf falsche Gedanken kommt, muss das Ergebnis einfach perfekt sein. Und mit einem solchen Anspruch im Hinterkopf scheinen sich an allen Enden der Bewerbung unverzeihliche Fehler zu finden. Nichts ist gut genug, alles muss wieder und wieder überarbeitet werden und schon rückt die Fertigstellung in weite Ferne.
Wir haben daher einige Tipps zusammengestellt, wie du dich von zwanghaftem Perfektionismus befreien kannst.
Tipp 1: Versuche, dein Verhalten zu verstehen
Manchmal hilft es, das eigene Verhalten zu überprüfen. Oft gibt es viele alternative Motive, die unser Handeln bestimmen, ohne dass wir es zunächst bemerken.
- Warum genau verhalte ich mich so perfektionistisch? Habe ich zu wenig Selbstvertrauen, um mit meinen Makeln offen umzugehen? Will ich Unsicherheiten überkompensieren?
- Will ich durch meine Sorgfalt einen guten Eindruck auf meinen zukünftigen Arbeitgeber machen oder versuche ich nur, einem falschen Selbstbild gerecht zu werden?
- Habe ich ganz einfach Angst vor der Abgabe und möchte diese künstlich hinauszögern?
Solche Fragen können dabei helfen, das eigene Verhalten und die damit verbunden Probleme besser zu verstehen. Nur wer sich über seine Motive im Klaren ist, kann negative Verhaltensweisen zukünftig vermeiden. Ehrliche Selbstreflexion kann unbequem sein – aber sie hilft.
Tipp 2: Visualisiere dein Ziel
Stelle dir vor, wie deine perfekte Wunschbewerbung genau aussehen soll. Es ist vielversprechender, sich das gewünschte Ergebnis im Gesamtpaket vorzustellen. Feile lieber am großen Ganzen, anstatt ziel- und endlos an Einzelheiten herumzudoktern. So rückst du dein Ziel in greifbare Nähe.
Tipp 3: Wäge Aufwand und Nutzen ab
Frage dich einmal, ob sich der Aufwand lohnt, den du in deine Bewerbung steckst. Ohne Zweifel ist es erstrebenswert, auf ein perfektes Ergebnis hinzuarbeiten. Aber wird ein Personaler diese Liebe zum Detail überhaupt bemerken? So hart es klingen mag: Deine Bewerbung ist im Regelfall nur eine von vielen. Deswegen bleibt dem Personaler häufig gar keine Zeit, sich mit sprachlichen Kniffen auseinanderzusetzen. Was hast du also objektiv davon, 120 Prozent zu geben? Konzentriere dich stattdessen auf das Wesentliche.
Fehler vermeiden zu wollen, ist schön und gut, aber Fehlerlosigkeit wird dich nicht vor Kritik schützen. So oder so wirst du dich eventuell mit ihr auseinandersetzen müssen.
Tipp 4: Lege eine Pause ein
Das ist aber kein Grund, sich entmutigen zu lassen. Vielleicht solltest du die Arbeit kurz ruhen lassen und etwas Abstand gewinnen. Mach etwas, bei dem du dich nicht beweisen musst. Geh spazieren, lies ein Buch oder triff dich mit Freunden. Vielleicht kehrst du mit einer neuen Perspektive und frischen Ideen an deine Bewerbung zurück. Manchmal lösen sich Probleme fast von selbst, wenn man sie mit klarem Kopf neu aufrollt.
Tipp 5: Strukturiere dich
Struktur kann Perfektionisten dabei helfen, Projekte zu beenden. Setz dir eine feste Frist und versuche, dich strikt an sie zu halten.
Struktur kann ein Spiel sein: Du setzt die Regeln fest, an die du dich halten musst. So kannst du dich leichter fokussieren und wichtige Bereiche in den Blick nehmen, anstatt jedes Detail gleichzeitig zu bearbeiten.
Hier setzt auch das sogenannte „Pareto-Prinzip“ an. Es kann dir dabei helfen, dein Arbeitspensum besser zu strukturieren. Denn es besagt, dass eine Aufgabe schon nach 20 Prozent der insgesamt investierten Arbeitszeit zu 80 Prozent abgeschlossen ist. Details und Feinheiten verschlingen daher den Großteil des Aufwandes. Wie du siehst, bleibt dir für den Feinschliff ausreichend Zeit.
Tipp 6: Schaffe Verbindlichkeiten
Verbalisiere dein Ziel. Am besten funktioniert dies in Anwesenheit anderer, so dass du zu deinem Versprechen stehen musst. Wenn jemand deine Absicht bezeugen kann, wird derjenige dich später darauf ansprechen. So schaffst du dir Verbindlichkeiten, an die du dich halten musst.
Falls es dir selbst schwerfällt, dich zum Abschluss der Bewerbung zu zwingen, kannst du den letzten Schritt auch an eine andere Person übergeben. Lasse beispielsweise einen Freund Korrektur lesen. Behandle die korrigierte Version als finale Fassung und schick sie ab, komme, was wolle.
Perfektionismus: Wenn es ernst wird
Solltest du weiterhin mit deinem Perfektionismus hadern, gibt es natürlich die Option, sich professionelle Hilfe zu suchen. Das kann zunächst einmal jemand sein, der dich beim Schreiben deiner Bewerbung professionell unterstützt, ein Coach oder eventuell ein Personaler aus deinem Bekanntenkreis. Ein Profi kann dir helfen, deine Unsicherheiten zu beseitigen und das bestmögliche Ergebnis zu erzielen, ohne dabei die Zeit aus dem Auge zu verlieren.
Eventuell stellt sich auch heraus, dass deine Sorgen unberechtigt waren und du kannst in Zukunft auf deine Fähigkeiten vertrauen. Umso besser.
Temporäres Phänomen oder problematisches Verhaltensmuster?
Solltest du an dir ein ähnliches Verhalten in anderen Lebensbereichen beobachten, könnte es nicht schaden, einen Arzt in dieser Angelegenheit aufzusuchen. Hält dich dein Hang zur Perfektion davon ab, Dinge zu tun, die für andere selbstverständlich sind? Zwanghafter Perfektionismus birgt ein ernstes Gesundheitsrisiko – unterschätze das nicht. Mit dem steigenden Leistungsdruck wird es außerdem immer schwieriger, ein gesundes Maß zu finden. Sollte es sich um ein gesundheitliches Problem handeln, ist es ratsam, dir von jemandem helfen zu lassen.
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